Schlagwort-Archive: verantwortung

web 2.0 und überforderung

platt formuliert: kinderschutz fängt früher an. die sperrung von kinderpornografie-seiten im internet setzt an einem phänomen an, aber nicht bei den ursachen. woher kommt es, dass erwachsene viel jüngere menschen zu einem objekt der befriedigung degradieren? dafür kann es meiner ansicht nach zwei erklärungen geben.

zum einen werden kinder in gesellschaften zu einem gegenstand. inzwischen bei uns zum beispiel zu einem wohlstandssymbol. in früheren gesellschaften und in manchen armen regionen auf dieser welt sind kinder billige arbeitskräfte, unterstützer des lebensunterhalts und altersabsicherungen. hier wurden sie zu objekten der familiären versorgung gemacht. heute dienen sie als objekte der emotionalen versorgung. sie symbolisieren nach außen, dass man sich ein kind leisten kann. und gleichzeitig sollen sie symbolisieren, dass man sich ein leistungsstarkes abbild seiner selbst leisten kann. kinder werden immer früher zu erwachsenen gemacht.

in einem interessanten buch habe ich vor einer weile gelesen, dass gleichzeitig das internet die erwachsenen infantilisiert. sie glauben, ewig jung bleiben zu müssen, und tun alles dafür, nicht die verantwortung für ihr erwachsenen-dasein zu übernehmen. das führt zur verkennung der verantwortung gegenüber jüngeren menschen.

beides zusammen führt dazu, dass unsere medien inzwischen werbungen und programme senden oder verbreiten, bei denen man sich fragt, ob man sich eigentlich ständig auf den kinderkanal verirrt hat. Weiterlesen

web 2.0 und kinder oder jugendliche

nach dem amoklauf von winnenden wird nicht nur viel über computerspiele diskutiert, sondern auch über die rolle des internet. wie schlimm oder schlecht ist der einfluss von medien auf das verhalten junger menschen. diese diskussion ist keine neue, aber immer wieder ein schauplatz für wertedebatten. erstaunlicherweise wird weiterhin die rolle der eltern bei diesen diskussionen unterschätzt. im fall von winnenden weniger als sonst in diesen diskursen.

wie wäre es, wenn man diskutieren würde, inwieweit eltern eine aufsichtspflicht gegenüber ihren kindern haben, auch beim konsum von medien. dass dies nicht ganz einfach ist, vor allen dingen, wenn man selber noch die älteren medien nutzt und sich dem computer und internet wenig angenähert hat. hier gibt es eine alterstruktur in der nutzungshäufigkeit des web 2.0, die bände spricht.

eine studie zur nutzung des web 2.0 durch kinder und jugendliche der tu dortmund kann auf der seite der friedrich-ebert-stiftung heruntergeladen werden. darin zeigt sich zum beispiel, dass die jugendlichen inzwischen längst das interenet dem fernseher als medium vorziehen. daraus ergeben sich nicht nur fragen, nach der rolle der eltern in diesem zusammenhang, sondern auch nach den zugangsmöglichkeiten in abhängigkeit vom bildungsstand, und somit nach den zukunftschancen. womit wir wieder bei den eltern wären. auch nicht neu ist die erkenntnis, dass deutschland eines der länder ist, wo einkommen und besitz immer noch sehr stark die zukunftsaussichten der kinder bestimmen. so wäre zumindest beim internet endlich einmal eine andere vorgehensweise notwendig. und nebenher könnte man gleich einen führerschein für angehende eltern einführen, der zum beispiel die abfrage von computerwissen beinhaltet.

doch erst einmal der link zur studie der fes: http://library.fes.de/pdf-files/stabsabteilung/06048.pdf .

wortklauberei (31)

„karriere lounge“

geahnt hat man es ja schon immer. der streit um die bonus-zahlungen für bankmanager hat es nur noch einmal bestätigt: einmal in einer bestimmten position, karriere gemacht, fließt das geld automatisch zu den menschen. man kann nur noch die treppe rauffallen und nur sehr selten abstürzen.

da passt es ganz gut, dass ein großer bekleidungskonzern im rahmen seines „general management programm“ eine „karriere lounge“ anbietet. das kann man so oder so verstehen. laut deutscher definition handelt es sich bei einer „lounge“ um einen aufenthaltsraum, einen wartesaal oder ein wartezimmer. momentan kann man da eventuell ganz schön lange warten, bis man karriere im management machen kann. werden doch eine ganze menge manager zur zeit dem arbeitsmarkt wieder überantwortet, wie man es so schön formulieren kann.

man kann es aber auch anders übersetzen: das englische „to lounge“ heißt übersetzt „faulenzen“. mal karriere gemacht, ein sicherlich zeitaufwendiges unterfangen, kann man den rest seiner arbeitstage faulenzen. das hübscheste daran ist, und hier schweife ich von den banken ab, man kann den größten bockmist bauen, in den seltensten fällen wird man zur verantwortung gezogen. Weiterlesen

biografisches schreiben und sachzwänge

eines des erstaunlichsten phänomene, wenn menschen älter werden, ist es, dass eine gewisse form von narrenfreiheit entsteht. viele stellen fest, dass sie die von ihnen verlangte leistung für die gesellschaft erbracht haben und sie fühlen sich ab diesem moment den anforderungen nicht mehr so verpflichtet. oft geht diese entwicklung einher mit der pensionierung, muss aber nicht.

dieser moment kann zu zwei reaktionen führen. die einen fallen beinahe in eine depression, da an sie keine großen anforderungen von außen mehr gestellt werden. die anderen genießen diese form der narrenfreiheit und gestehen sich dinge zu, die sie ihr leben lang nicht verwirklicht haben. ab diesem moment lohnt sich beim verfassen der eigenen biografie oder lebensgeschichte ein blick in die vergangenheit. erst dann sind menschen oft bereit, sich einzugestehen, dass sie in vielen handlungszusammenhängen sachzwängen gefolgt sind, die sie nicht nachvollziehen konnten oder zu denen sie eigentlich eine gegenposition einnahmen. am häufigsten geschieht dies sicherlich im berufsleben. hier steht für viele menschen die angst im hintergrund, dass sie ihren job verlieren könnten, wenn sie sich nicht konform verhalten. diese angst ist meist nicht unbegründet. beim rückblick auf das geschehene stellt man häufig fest, dass die gefahr in der form gar nicht bestand, aber man konnte es damals nicht wissen.

aber es lohnt sich ein blick genau auf diese momente, da es einem zeigen kann, wie stark man die eigene entwicklung auch durch ein sachzwang-geprägtes verhalten beeinflusst hat. deshalb erscheinen manche depressionen nach der pensionierung auch nicht erstaunlich, wird etlichen in dieser zeit klar, dass sie immer bemüht waren, den anforderungen von außen genüge zu tun, dabei aber die eigenen bedürfnisse oft genug aus den augen verloren haben. man sollte sich dafür nicht schämen und auch nicht an allem nur die eigene verantwortung oder schuld suchen, sondern man sollte sich dadurch entlasten, indem man sich genau anschaut, welche alternativen für einen damals überhaupt vorstellbar waren. und dann vielleicht in seiner biografie oder lebensgeschichte, den leserInnen aufzeigen, was man eigentlich gern gelebt und wie man am liebsten gehandelt hätte.

wortklauberei (8)

„verantwortungsloses system“

der französische premierminister francois fillon wurde gestern in den tv-nachrichten zur bankenkrise mit den worten zitiert, es sei an der zeit gegen das „verantwortungslose system“ vorzugehen. der originaltext ist mir nicht bekannt, weshalb es schwer ist, zu kontrollieren, ob er dies wirklich gesagt hat. sei´s drum, wenn er es nicht gesagt hat, dann zumindest redakteurInnen oder übersetzerInnen. und das wichtigste, diese aussage wird gesendet.

man möchte ja nicht altklug erscheinen, aber ein system kann nicht verantwortungslos sein. auf der anderen seite kann man sich gewiss sein, dass solche aussagen nicht leichtfertig getroffen werden, sondern menschen sich gedanken machen, warum sie es gerade so formuliert haben und nicht anders. übertragen auf eine andere situation würde der autofahrer, der gerade einen passanten dem erdboden gleich gemacht hat, erklären, das läge am verantwortungslosen auto, das ja auch so schnell fahre. seltsamerweise wird in diesem moment differenziert und die rechtssprechung sieht den autofahrer in der verantwortung, der das auto gelenkt hat.

ein schelm, der beim „verantwortungslosen system“ schlechtes denkt. sollte die aussage getroffen worden sein, um die „verantwortung los“ zu sein? inzwischen sollten sich nicht nur die banken gegenseitig misstrauen, sondern menschen sollten auch den banken und vor allen dingen ihren aufsichtsräten das vertrauen entziehen. denn die nun zu spät kommende systemkritik ignoriert, dass es menschen sind die dieses steuerten und aufrecht erhalten. niemand kann sich dem entziehen, wenn die gesamte gesellschaft nach den prinzipien funktioniert. und doch werden in anderen zusammenhängen verantwortliche benannt. nur beim abstürzen der börsen sind es entweder die anderen oder das system. und nur, da es so formuliert wird, erklären sich viele menschen bereit, hilfsaktionen in billionenhöhe zu akzeptieren. wenn die deutschen sparkassen auch einen fonds für deutschland fordern, dann sollte mensch einmal nachfragen, welche leichen sie denn noch im keller haben. ach ja, diese „verantwortungslosen“ banken. 😆

die logik der sorge. – ein buchtipp

ein französischer philosoph in der tradition von michel foucault setzt sich mit den konsequenzen der medialen entwicklungen für die gesellschaft auseinander. dabei wird es teilweise sehr grundsätzlich, psychoanaltytisch und verstiegen. aber insgesamt ein sehr interessantes buch, das die grundlage für weitere betrachtungen legen soll.

bernard stiegler verbindet in seinem buch „logik der sorge. verlust der aufklärung durch technik und medien.“ die frage nach den notwendigkeiten einer aufgeklärten gesellschaft und den folgen einer medienentwicklung, die in allen generationen inzwischen zu aufmerksamkeitsstörungen und verantwortungslosigkeiten führt.

dabei stellt er zum einen eine infantilisierung der erwachsenen und den verlust der unmündigkeit jugendlicher durch neue gesetze fest, zum anderen die zerstörung von generationslernen, die zersetzung der gesellschaftlichen grundlagen durch psychotechniken und psychotechnologien, die von der audiovisuellen medienmacht versursacht werden.

in seinen betrachtungen bezieht er sich auf die griechischen philosophen, kant, freud (über diese betrachtung kann man streiten), jonas, heidegger, foucault, untersuchungen aus der neurophysiologie und andere naturwissenschaftlichen untersuchungen. teilweise ist das buch als nicht-philosoph nicht ganz leicht zu lesen, aber die grundgedanken und die argumentationen können nachvollzogen werden und bieten eine wunderbare grundlage für den diskurs über die folgen einer medialisierten welt.

das buch ist erschienen in der edition unseld, suhrkamp verlag, in frankfurt am main, 2008. ISBN 978-3-518-26006-7