wählerwanderung der besonderen art. gestern wurde bei den verschiedenen wahlberichterstattungen ständig wiederholt, dass berlin keine normale stadt sei und das wahlergebnis ausdruck der berliner mentalität wäre. wie formulierte es die nette dame vom rbb? meckern. faszinierend, dass die forderung nach mehr beteiligung und mehr transparenz in politik und verwaltung als „meckern“ ausgelegt wird. und die „piraten“ haben ihr label auch schon erhalten, so werden sie als „digitale bohemiens“ (fernsehen) oder „digitale wutbürger“ (süddeutsche zeitung) bezeichnet.
aber darum soll es mir hier überhaupt nicht gehen. nein, es gab eine andere faszinierende tatsache, die mir wirklich rätsel aufgibt. das angemessene abschneiden der fdp bei der wahl wurde mit wählerwanderungen belegt. dazu gab es in der ard eine hübsche grafik und es wurde aufgezeigt, wo die wählerInnen so hinwanderten. und 1 % zog es von den liberalen zur linken. wie geht das? erst für die freiheit der märkte stimmen und dann der kapitalismuskritik seine stimme geben?
hier muss es gravierende umbrüche in einzelnen biografien gegeben haben. jedenfalls rätselte ich den ganzen abend, was bei jemandem passiert sein muss, damit er oder sie in ihrer politischen grundhaltung so erschüttert wurden, dass sie den weg von dem versprechen einer ungezügelten wirtschaft ohne hohe lohnnebenkosten zu einer grundsicherung für arbeitnehmer gefunden haben. ist hier das eigene unternehmen pleite gegangen? wird nach farben gewählt? oder verrutschte das letzte mal das kreuzchen auf dem stimmzettel und man hat es dieses mal korrigiert?
irgendwoher müssen die zahlen ja kommen. da werden doch bestimmt menschen befragt, wie sie bei der letzten und wie sie bei dieser wahl gewählt haben. vielleicht war da nur jemand genervt von der fragerei und machte einen scherz. aber man sollte nicht zu sehr an veränderungen zweifel, denn der mensch kann jederzeit umdenken. wieso sollte ein mensch während seines wirtschaftswissenschaftsstudiums nicht auch mal den marx lesen, wird er dort doch wegen seiner treffenden analysen beachtet, und umgedacht haben?
wahrscheinlich wählt der bürger ernsthafter als es politikerInnen und journalistInnen ihm zugestehen mögen, meinungsbildend statt meckernd.