Tagesarchiv: 16. Juni 2012

schreibberatung und alter

man erinnere sich an die auseinandersetzung um die rechtschreibreform. ein bürokratischer akt, der angeblich zu einer vereinfachung der schrift und des schreibens führen sollte. viele entscheidungen sind ebenso undurchsichtig wie von früher existierendes und gewordenes. wir verfügen über ein ausuferndes regelwerk und komplizierte schreibformen, die in ihrer aussage inzwischen bedeutungslos sind. an dieser reform ließen sich teilweise generationskonflikte um die zukünftige sprache festmachen. denn allüberall wird vor der verrohung und vereinfachung unserer kommunikation gewarnt.

das schreiben wurde und wird sehr unterschiedlich gelernt. früher die vermeidung des „du“, der direkten ansprache der leserInnen, heute slang und wortspiele in frecher annäherung. und doch bleibt es altersunabhängig, wann das schreiben nicht mehr so vollziehbar ist, wie gewünscht. schreibberatung konzentriert sich nicht auf eine form des ausdrucks, propagiert nicht „die richtige“ schreibe, denn die einengung des schreibprozesses kann sehr unterschiedliche formen annehmen.

auch die flappsige moderne sprache schützt nicht vor dem eigenen erwartungsdruck, vor einer schreibblockade oder dem fehlenden ausdruck. ebenso kann eine gestochen scharfe, grammatikalisch korrekte schreibweise nicht verhindern, dass die ideen für formulierungen und metaphern ausgehen. schreibberatung kommt alters- und zeitlos daher. sie hat nichts anderes im sinn, als dem schreiben und ideenentwickeln genug raum zu verschaffen, im zeitmanagement und im kopf.

und auch wenn manche vertreterInnen der meinung sind, das lamentieren über schreibblockaden und schreibkrisen sei eine modeerscheinung – sie als schriftstellerInnen könnten gar nicht schriftstellerInnen sein, wenn sie jemals schreibblockaden erleben würden, so stellt sich doch in jeder generation oder in jedem alter die frage, wie viele menschen über nichts anderes schreiben, als ihre schreibblockaden. auch eine form der verarbeitung. aber es stellt sich gleichzeitig noch eine andere frage: muss ich mich in eine emotionale situation begeben, in der ich mich nicht wohl fühle?

das „alter“ hat oft gelernt, dass der spaß ein flüchtiger, windiger geselle ist, der der hohen kunst des schreibens im weg steht. so kann auch dem alter in der schreibberatung vermittelt werden, dass nicht immer schmerz und qual ein garant für „hochwertiges“ sind. aber vorsicht mit verallgemeinerungen. die einzige verallgemeinerung, die sich in bezug auf die schreibberatung treffen lässt: jeder mensch kann an einen punkt kommen, an dem es gerade einmal nicht weiter geht. das ist nicht schlimm, eigentlich auch nicht tragisch, obwohl es so empfunden wird. es endet nur gern in der frage, soll man abwarten oder soll man etwas unternehmen und sich unterstützung suchen.

schreibberatung bietet diese unterstützung altersunabhängig. nicht mehr und nicht weniger.

schnickschnack (122)

die werke des internetkünstler „systaime“ sind das visuelle pendant zum „uncreative writing“, indem er vorhandenes aus dem internet aufgreift und daraus collagen oder spielerische gifs macht. man nehme das kostenlose, einen zuschüttende trash-angebot aus pop-ups, von homepages und dergleichen mehr und mache daraus ein großes plakatives werk, das den stand der dinge abbildet. aus was besteht das netz? die eine homepage von systaime zeigt es. siehe hier: http://systaime.com/freesurf/ .

noch aussagekräftiger würde aus meiner sicht das werk, wenn es in einer endlosschleife aufrufbar wäre und das scrollen durch die collage kein ende finden könnte. aber auch so bietet die seite schon einen guten überblick über das vohandene, kostenlose und marktschreierisch angebotene. neu zusammengefügt ergibt sich eine ganze andere geschichte, ein neuer blick auf die digitale welt. aus dem alltag kunst zu machen, ein prinzip des flarf, kann abbilden und vorführen, auf welche blickwinkel sich das internet in suchmaschinen und werbung beschränkt. also ein digitales abbild unserer wirklichkeit.

und all dies nur mit hilfe des copy & paste entwickelt, kaum hinzugefügtes, ausschließlich aufgegriffenes und wiederverwertetes. und doch wieder etwas ganz neues – ein visueller remix.