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kreatives schreiben und zufall

manche der techniken des kreativen schreibens versuchen, eine beinah-zufällige situation in der auswahl der themen oder der schreibanregung herzustellen. schaut man sich diese vorgehensweisen genauer an, dann stellt man fest, dass der versuch dem zufall raum zu geben, grandios scheitert. irgendwo im handlungsablauf taucht immer wieder die subjektive entscheidung auf, was man als nächsten schritt machen möchte.

das bedeutet, der zufall ist nie ein wirklicher zufall. selbst wenn ich durch die strassen gehe und mir eindrücke notiere, treffe ich als schreibender in diesem moment (zum beispiel um 14.38 uhr) an diesem tag (zum beispiel, dem 09.11.2011) die entscheidung, exakt zu diesem fein-geäderten rot-gelben blatt meine assoziativen gedanken (die meiner subjektiven tagesstimmung entsprechen, die wiederum davon abhängt, ob ich mir den morgenkaffe über die hose gekippt habe oder nicht) zu notieren.

im hintergrund steht die frage, weshalb machte ich mich an diesem tag zu dieser uhrzeit auf den weg? es gibt gründe dafür, die nichts mehr mit zufall zu tun haben. so scheint der versuch, zufälliges in das kreative schreiben zu integrieren, zum scheitern verurteilt, und das un-zufällige bekommt ein großes gewicht. denkt man dies weiter, muss man zu dem schluss kommen, dass das bemühen um zufall mehr raum gibt für ein authentisches gerade-so-sein.

man hebelt mit dem versuch, dem zufall raum zu geben, einen großteil der verstellungen und literarischen strategien, die einem beim schreiben begegnen können, aus. den zufall einfangen zu wollen, stellt wiederum eine neue strategie dar, den eigenen beweggründen für das aktuelle schreiben, mehr raum zu geben, den inneren zensor ein wenig zu überlisten. somit ist damit zu rechnen, dass „un-zufällige texte“, die eigentlich dem spielerischen zufall überlassen sein sollen, das leben und die vielfalt umfassender einfangen. sie entziehen sich einem teil der ästhetischen planung und gewinnen gleichzeitig dadurch den subektiven charakter der schreibenden.

oder anders formuliert, man kann sich durch die suche nach dem zufall teilweise selbst überlisten und dem eigenen ausdruck einen freieren und stimmungsvolleren gehalt geben. es schreibt sich unbefangener, näher an einem selber, ja manchmal könnte man sogar von einem „meditativen“ charakter sprechen. die selbst gestellt aufgabe fördert die „selbstaufgabe“ 😉 . die strategie des loslassens mutiert zu einem aussagekräftigen „da-sein“.

schreibidee (251)

manchmal versucht man sich aus dem zu befreien, das einen umgibt, an das man sich gebunden fühlt. das können lebensumstände sein, es können menschen sein oder auch nur kleine gegenstände. es fühlt sich an, wie wenn diese dinge einem zu viel kraft rauben, einen festhalten. darum soll diese schreibanregung den dingen gewidmet sein, die uns in einer art und weise binden, die uns nicht gefällt. es sollen „fessel-texte“ geschrieben werden.

zuerst werden die teilnehmerInnen der schreibgruppe aufgefordert, einen gegenstand zu beschreiben, von dem sie nicht loslassen können. dieser text sollte nicht länger als eine seite sein. im zweiten schritt soll über eine lebenssituation auch eine seite geschrieben werden, aus der man sich schon lang befreien möchte. und im letzten text soll auf einer seite über eine person geschrieben werden, die man nicht loslassen kann. die texte werden nicht in der gruppe vorgetragen.

im zweiten schritt wenden sich die schreibgruppenteilnehmerInnen der frage zu, was so fesselt? was ist es, dass den gegenstand nicht beseitigen lässt, dass verhindert, die lebenssituation zu verändern, und was macht der mensch, dass man sich immer wieder binden lässt. zu jedem der drei geschriebenen texte sollen mindestens fünf stichworte notiert werden, was so fesselt.

nun wird für eine längere geschichte ein gegenstand, mensch oder umstand ausgewählt, der die grundlage bildet. die geschichte soll vor allen dingen den zwiespalt zwischen loslassen und sich immer wieder hingezogen fühlen abbilden. wie dies umgesetzt wird, bleibt allen teilnehmerInnen freigestellt. anschließend wird der text in der schreibgruppe vorgetragen und beim feedback wird darüber diskutiert wie nachvollziehbar der zwiespalt dargestellt wurde.

um dann zum abschluss einen befreiungstext zu schreiben. zur vorbereitung notieren die teilnehmerInnen zu allen drei bindenden aspekten ihres lebens, was sie bräuchten um gegenstand, mensch oder umstände loszuwerden, die fesseln zu sprengen. anschließend geht eine voraussetzung in erfüllung. es kommt eine gute fee, die einen der entfesselungswünsche erfüllt. darüber wird eine geschichte geschrieben. was passiert, wenn losgelassen wird. diese geschichten werden von den schreibgruppenteilnehmerInnen zum schluss vorgetragen.

liste (06) – loslassen

wer lust hat, kann sich diese seite ausdrucken und ausfüllen. ich schlage listen vor, die einem vielleicht einen überblick zu verschiedenen themen der eigenen lebensgeschichte geben können. dieses mal geht es um „loslassen„.

ich möchte folgende dinge loslassen können (der wertigkeit nach):

ich möchte folgende menschen loslassen können (der wertigkeit nach):

ich möchte folgende situationen ignorieren könen (der wertigkeit nach):

das, den, die werde ich nie loslassen/ignorieren können (der wertigkeit nach):

web 2.44 – ebay.com

bewohner der industrienationen besitzen viel, viel zu viel. darum wollen sie zwischendurch eine menge loswerden, ja loslassen. manch einer entrümpelt seine wohnung im namen von feng shui, andere sortieren den nachlass, wieder andere lösen eine sammlung auf, um die nächste anzulegen. es gibt viele gründe, weshalb man dinge loswerden will. und es gibt eine webseite, die dies erleichtert.

eigentlich ist sie längst bekannt. zum einen durch den schrott, den sich manch einer im digitalen kaufrausch ersteigert hat, zum anderen durch die kleinen skandale, die bestimmte auktionsware nach sich zog. einer der höhepunkte war wahrscheinlich, als menschen sich selbst versteigern lassen wollten. obwohl natürlich besitz, besitz ist. und die frage berechtigt bleibt, wie weit mensch sich eigentlich selbst besitzt. er darf sich zwar auf dem arbeitsmarkt anbieten, aber nicht auf einer auktionsseite. doch das ist eine andere diskussion.

eigentlich soll „ebay“ hier nur vorgestellt werden, da es ein symbol für das loslassen von dingen ist. früher waren es die sperrmüllsammlungen, die an bestimmten tage im jahr dazu führten, dass menschen loszulassendes auf die straße stellten. der autor dieser zeilen kann ein lied davon singen, welche schätze sich in diesen privathalden fanden. heute ist das alles „retro“. wenn man nur damals platz gehabt hätte, zwischen zu lagern, man wäre dank ebay sicherlich sehr wohlhabend.

ein bisschen durch das digitale auktionshaus surfen und es finden sich bestimmt ein paar schreibideen, nur gleichzeitig zu ersteigern könnte nach hinten losgehen. hier gleich eine kostprobe für eine eine schreibidee. und außerdem kann man sich noch einmal davon überzeugen, was der vorteil des web 2.0 sein könnte, allein anhand der kundenbewertungen. zu finden ist das alles unter: http://www.ebay.de/

schreibpädagogik und loslassen

irgendwann endet jede schreibgruppe. manche nach einer klar umrissenen zeitdauer (von einem nachmittag bis zu mehreren monaten), andere enden erst nach jahren, wenn die gruppe sich selber auflöst. da sich im laufe der kurzen oder langen zeit, die teilnehmerInnen der gruppen über ihre texte, ihre feedbacks und ihre gemeinsame kreativität ein ganzes stück näher gekommen sind, fällt der abschied voneinander nicht immer leicht.

meist dienen schreibgruppen nicht nur dem zweck gemeinsam etwas zu verfassen, sondern sie sind für viele auch eine auszeit vom alltag und vom stress. es ist wie in urlaub fahren, sich gedanklich allem drängenden zu entziehen. das bedeutet oft genug, dass sich die menschen auf ganz anderen ebenen als üblich annähern können. sie hören persönliches in den geschichten und texten voneinander. es entstehen schnell bindungen, die ebenso schnell wieder aufgelöst werden.

das phänomen, dass sich die teilnehmerInnen versprechen, nach den gruppen weiter kontakt miteinander zu halten, ist der versuch, nicht sofort die gemachten erfahrungen loslassen zu müssen. meist funktioniert das aufrechterhalten des kontakts nicht. aber im moment des auseinandergehens spielt das keine rolle. und natürlich können einzelne kontakte intensiv aufrecht erhalten werden.

doch man erinnere sich nur einmal, wie intensiv die kontakte nach 10 oder 13 gemeinsamen schuljahren blieben. vereinzelt ja, aber viele ehemalige mitschülerInnen sieht man nur bei klassentreffen, jahre später wieder. und wie sehr hatte man sich geschworen, nicht den kontakt zu verlieren. dies hier notierte soll nicht die gute absicht in frage stellen. aber es ist auch eine realität, dass einen der alltag meist (wie nach dem urlaub) sehr schnell wieder einholt. Weiterlesen

biografisches schreiben und loslassen

beim biografischen schreiben bekommt „das loslassen“ eine ganz andere bedeutung. natürlich geht es auch beim schreibprozess zur eigenen lebensgeschichte darum, die texte und geschichten loszulassen. doch hier steht diese entscheidung nicht im vordergrund, da oft nur für sich selber geschrieben wird, ganz klar ist, dass die intimsten details des eigenen lebens nicht für andere bestimmt sind.

bei aufschreiben der eigenen biografie stellt sich eher die frage, wann musste man was oder wen in seinem leben loslassen? eine frage, die meist nicht leicht fällt, ebenso wie das damalige loslassen schwer fiel. allein der begriff „loslassen“ beinhaltet ja schon, dass man etwas festhält. ursache scheint das festhalten an vorstellungen zu sein, die man während der eigenen entwicklung irgendwann über den haufen wirft. dabei kann es die vorstellung eines lebensziels sein oder die vorstellung von einer beziehung zu einem bestimmten menschen. es kann aber auch die idee sein, dass gerade alles ganz in ordnung ist und sich nichts ändern sollte.

aber das leben an sich ist tückisch und basiert auf dem prinzip des kommen und gehens. da der mensch fähig ist, darüber zu reflektieren, kann die erkenntnis darüber (zum beispiel beim tod eines geliebten menschen) eine erschreckende sein. Weiterlesen

kreatives schreiben und loslassen

ein paar mal drüber gelesen, schreibfehler korrigiert, abschnitte verschoben und sätze gestrichen. die geschichte, der text scheint lesbar und unterhaltsam. also, ab in die öffentlichkeit damit. entweder wird vorgelesen, ins internet gestellt oder gedruckt, verschickt, verlegt. das eigene kreative produkt muss in diesem moment losgelassen werden. ein schwieriger prozess für viele schreibenden.

es ergeben sich in der schlussphase gern fragen, die man eigentlich nicht beantworten kann: kommt das geschrieben bei den leserInnen so an, wie ich mir das vorgestellt habe? erklingt beim lesen eine melodie, die ich zu erreichen versuchte? was machen „die anderen“ daraus? habe ich wirklich mein bestes gegeben? könnnte man nicht noch den einen absatz an einer anderen stelle einfügen? vielleicht sollte ich den ganzen text verwerfen, wen interessiert schon, was ich über den alltag denke? ist das nicht alles viel zu konstruiert?

keiner gibt einem eine antwort auf die fragen, bevor der text nicht das licht der öffentlichkeit erblickt hat. da spielt es selten eine rolle, ob die geschichte nur wenigen übergeben oder einer weltöffentlichkeit vorgestellt wird. das gefühl sich plötzlich preiszugeben, persönliches öffentlich zu machen, wird nicht so schnell verschwinden. gleichzeitig keimt die hoffnung auf, eine schnelle, anerkennende reaktion zu erhalten. doch „die anderen“ lassen auf sich warten. wahrscheinlich lesen sie es gar nicht?

in diesen momenten ist der zeitpunkt gekommen, die eigenen produkte loszulassen. sich daran zu erinnern, dass nicht das leben und die welt von dem einen text abhängt. es gibt immer die möglichkeit, die rückmeldungen aufzugreifen, etwas neues zu kreieren. doch der gedanke erscheint in diesen momenten undenkbar. man hat sein bestes gegeben und kann sich nicht vorstellen dies noch einmal zu tun.

eigentlich ist die entscheidung schon längst gefallen: die geschichte wurde der welt übergeben, jetzt müsste man es nur selber glauben. Weiterlesen

liste (04) – fuck it

wer lust hat, kann sich diese seite ausdrucken und ausfüllen. ich schlage listen vor, die einem vielleicht einen überblick zu verschiedenen themen der eigenen lebensgeschichte geben können. dieses mal geht es um „fuck it„.

dinge, menschen, verhaltensweisen, die ich auf alle fälle loslassen möchte, da sie mich nur einschränken:

dinge, menschen, verhaltensweisen, die mich glücklich machen:

warum sage ich so selten „fuck it!“? hier ein paar „gute“ gründe:

und hier die abgründe, in denen ich stecke:

„fuck it!“ von john c. parkin – ein buchtipp

kurz, griffig und direkt ist der titel des buches ein eyecatcher. das f***-wort ohne hemmungen verwendet spricht zum einen die sex-sells-haltung als auch die scheissegal-haltung an. das buch konzentriert sich auf zweitere. doch das würde dem buch nicht gerecht werden. john c. parkin möchte mit seinem buch sehr viel mehr. der vollständige titel lautet: „fuck it! – loslassen entspannen glücklich sein“ und reiht sich in die ratgeber ein, die das leben ein wenig leichter machen wollen.

alles in allem glückt das dem buch. denn es greift den gedanken auf, dass wir uns zwar alle nach bestem wissen und gewissen ohne ende bemühen, doch damit allen lebensbereichen zu viel bedeutung geben. alles was wir heute tun ist bedeutungsvoll und nicht selten weit weg von dem, das wir tun wollen. um sich von all den lebenskompromissen, die man so eingeht, zu verabschieden, empfiehlt parkin ein lautes „fuck it!“ von sich zu geben. oder wie es über einem kapitel geschrieben steht: „wir sagen fuckt it, wenn wir aufhören, dinge zu tun, die wir nicht tun wollen“.

in der folge fordert der autor dazu auf zum beispiel zur „richtigen ernährung“, zu beziehungen, zu krankheiten und schmerz, zu geld, zum wetter, zu selbstkontrolle und disziplin, zur angst oder auch dazu, eine friedliche person zu sein, „fuck it!“ zu sagen. es werden erst all die erwartungen und regeln demontiert, die einen von den wirklich wichtigen dingen abhalten, um dann das loslassen mit diversen entspannungstechniken zu erleichtern. denn der mensch neigt schnell zu schlechtem gewissen, wenn er den vorgegebenen rahmen verlässt. das hindert ihn aber am glücklich sein, so weit sich dies überhaupt verallgemeinern lässt. also tief durchatmen, fuck it sagen, loslassen, annehmen und eben glücklich sein.

das klingt hübsch, eher spielerisch und leichter geschrieben als getan, doch man kann sich den gedanken des autors nicht ganz entziehen. wer kennt nicht die frage: „wozu mache ich das eigentlich alles“? es bleibt eine berechtigte frage, auch wenn sie tagtäglich von vielen menschen gestellt wird. eine alternative kann da sicherlich größere gelassenheit sein. doch es geht eben nicht um die „scheissegal“-haltung, wie oben vermutet. es geht um eine konzentration auf den genuß und auf das, was sich gut anfühlt. na dann, einfach lesen und sich nur nicht zu viele gedanken danach machen. einfach sein 😮 .

das buch ist im ariston verlag, der zu random house gehört, 2010 erschienen. ISBN 978-3-424-20030-0 , homepage: http://www.thefuckitway.com/