Tagesarchiv: 13. Oktober 2011

web 2.73 – herrlabig.de

es gibt sie, die lehrer, die das internet verstehen, es nutzen und sich gedanken rund um das lernen, das netz, die pädagogik, die literatur und das schreiben und lesen machen. herr labig ist einer dieser lehrer und betreibt einen blog, in dem viele informationen, links und meinungen zu oben genannten themen zusammengetragen werden.

es liest sich angenehm, was herr labig mitzuteilen hat. und es wird die bandbreite des internet auf der seite ausgeschöpft. da gibt es einen recht neuen podcast, die automatische übersetzung der seite, momentan den blick auf die buchmesse, die auseinandersetzung mit internetdiskussionen und immer wieder der bezug zur schule.

die seite ist auch für schreibpädagogInnen interessant, die mit schülerInnen arbeiten. denn einen überblick über die angebote zu den themen pädagogik und internet bietet die seite http://herrlarbig.de/ in umfassender und aufbereiteter form. einfach mal reinschauen, links nutzen und sich informieren.

wortklauberei (83)

„dumpf-muffiger fehlton“

wieder etwas dazugelernt. es war einmal, dass man sagte „der wein hat korken“, wenn sich beim genuss des gekelterten getränks ein seltsamer geschmack durchschlich und den genuss beeinträchtigte. wie mich des nächtens eines wissenssendung aufklärte nennt diesen geschmack und geruch der weinwissenschaftler einen „dumpf-muffigen fehlton„.

denn es ist anscheinend nicht der korken, der diesen geschmack verursacht, sondern ein schimmelpilz in den weinherstellungsräumen, der einen stoff tca produziert, den man auch „mufftonsubstanz“ nennen kann. ich bin begeistert von dieser wortwahl. ein muff ist ja eigentlich so ein handwärmer, ein kleidungsstück meist aus pelz in röhrenartiger form. wahrscheinlich kommt dann der begriff muffig daher, dass der muff hauptsächlich von älteren damen mit schwitzigen händchen verwendet wurde und wird. früher nannte man wohl muffig auch mefitisch.

aber ein „dumpf-mefitischer fehlton“ kommt längst nicht so gut. es ist das zusammenspiel von „mpf“ mit dem „u“, der dem ganzen so einen nekrophilen beigeschmack gibt. stellen sie sich die ausweitung der beschreibung vor: auch bei farben könnte man von einem „dumpf-muffigen fehlton“ sprechen, wenn man dunkel-beige oder ein tristes grau meint (obwohl uns loriot, was die grautöne betrifft, eigentlich eines besseren belehrt hat – na gut, nehme ich ein tristes braun). oder nehme man die literatur: welches buch erzeugt einen „dumpf-muffigen fehlton“? wortmeldungen werden hier gern veröffentlicht. musik: wie klingt der „dumpf-muffige fehlton“? gruftig!

neben „keck“ wird „dumpf-muffig“ mein zweite lieblingswort werden. es sollte nie aus dem wortschatz verschwinden und der beschreibung männerbündischer langeweile immer angehängt werden, war es doch mal dumpf-muffig unter den talaren 😉

„verführt-verwirrt-für dumm verkauft“ von frank ochmann – ein buchtipp

manchmal geht einem die neuropsychologie gehörig auf den keks. immer wieder formuliert sie im mrt (magnetresonanztomographen) gewonnene neue unumstössliche erkenntnisse über unser verhalten, um sie etwas später wieder zu relativieren. die krux an dem getue besteht darin, dass eine koppelung zwischen gehirnaktivitäten und sozialpsychologischem experiment hergestellt wird, gleichzeitig aber kein mensch sagen kann, was wirklich gedacht wird, wenn in einer hirnregion mehr los ist, als in einer anderen. und anstatt die einzelnen menschen zu fragen, wird munter drauflos gedeutet. da ist der weg nicht weit, den freien willen des menschen anzuzweifeln.

dann findet man ein buch mit dem titel „verführt- verwirrt-für dumm verkauft – wie wir tag für tag manipuliert werden und was wir dagegen tun können“ im regal und liest im klappentext „psychologen und neurowissenschaftler entwickeln methoden, die uns einzeln und als masse auf kurs bringen sollen.“. heureka, denkt man bei sich, da nimmt sich mal einer des neuropsychologischen wahnsinns an und hinterfragt kritisch den modischen trend, weswegen jedes psychologische institut an hochschulen heute einen mrt benötigt.

weit gefehlt. der autor frank ochmann zitiert genüßlich ein neurowissenschaftliches experiment nach dem anderen und meint, dort den beleg unserer leichten manipulierbarkeit zu finden. schade, chance vertan. schon das sozialpsychologische experiment war immer eine konstruktion und scheiterte mit seinen statistiken an dem subjektiven verhalten des menschen im alltag. den erkenntnissen aus der magnetröhre ist ein ähnliches schicksal beschieden, wenn die gesellschaftlichen bedingungen immer wieder ausgeklammert werden.

anders formuliert: der einzelne mensch, der in einer magnetröhre liegt, abgeschirmt von der strahlung und der gesellschaft denkt in bestimmten gehirnregionen unbestimmtes. aber im alltag einer restriktiven gesellschaft schätzt er bei seinen handlungen sehr klar ab, welche sanktionen ihn erwarten, wenn er bestimmte verhaltensweisen nicht an den tag legt. die drohenden sanktionen machen ihn anfällig für manipulationen (oder kritisch-psychologisch formuliert, für nahelegungen).

zum schluss landet auch ochmann bei der frage, wie, den manipulationen zu widerstehen, aussehen könnte. nur leider ist es ihm in diesem moment schon beinahe unmöglich die kraft des sozialen wesens des menschen ernst zu nehmen. kooperative verhältnisse sind eine alternative zu restriktiven verhältnissen. den zugang aller zur verfügung über die lebensbedingungen, hier liegt die kraft des menschen, manipulationen zu entgehen. doch in der magnetröhre wird man nur feststellen können, in welcher hirnregion der mensch diesen gedanken reifen lässt. frank ochmann kratzt mit seinem buch leider nur an der oberfläche wie die neuropsychologie eben auch. das buch ist 2011 im gütersloher verlagshaus erschienen. ISBN 978-3-579-06748-0